In Schleswig-Holstein werden Motorradfahrer kaum für Geschwindigkeitsüberschreitungen zur Rechenschaft gezogen. Die aktuellen Polizeistatistiken zeigen eine erschreckend niedrige Quote von nur 0,06% im Jahr 2025. Während Autofahrer regelmäßig geblitzt werden, entgehen Biker aufgrund technischer und rechtlicher Hürden oft den Kontrollen. Die Polizei spricht von enormem Personalaufwand, während Gewerkschaften vor einem rechtsfreien Raum warnen.
Die alarmierenden Zahlen: Motorräder kaum in Blitzerstatistiken vertreten
Die aktuellen Daten des Landespolizeiamts Schleswig-Holstein offenbaren ein eklatantes Missverhältnis: Während 2025 bisher 249.000 Autos geblitzt wurden, waren es nur 152 Motorräder. Diese Zahl erscheint besonders gering, wenn man bedenkt, dass immerhin 166.543 Krafträder im Land zugelassen sind.
Die Gründe für diese Diskrepanz sind vielfältig:
- Fehlendes Frontkennzeichen bei Motorrädern
- Schwierige Identifikation der Fahrer durch Helme und Sonnenbrillen
- Hoher Personalaufwand für Kontrollen
- Automatisierte Systeme für Autos funktionieren bei Zweirädern nicht
Besonders markante Beispiele finden sich in den Kreisen: In Plön wurden von 98.000 Verstößen nur 44 Motorräder erfasst, in Dithmarschen 357 bei ähnlich hohen Gesamtzahlen. BMW Motorrad, KTM und Harley-Davidson gehören zu den Marken, deren Fahrer besonders selten zur Kasse gebeten werden.
Technische Herausforderungen bei der Geschwindigkeitsmessung
Die Polizei steht vor einem technischen Dilemma: Herkömmliche Blitzer sind für Motorräder kaum geeignet. „Die Überwachung der Geschwindigkeit von Motorradfahrenden ist regelmäßig nur mit großem personellen Aufwand möglich“, bestätigt das Landespolizeiamt.
Warum herkömmliche Systeme versagen
Während bei Autos die automatisierten Systeme problemlos funktionieren, scheitern sie bei Ducati, Suzuki und anderen Motorrädern an mehreren Faktoren:
- Einseitige Kennzeichenanbringung (nur hinten)
- Reflexionen durch Helme und Visiere
- Kleinere Frontfläche für Radar- und Lasermessung
- Höhere Beschleunigung erschwert Messungen
Kommunen verfügen zwar über drehbare Anlagen oder Systeme mit zwei Kameras, doch der Einsatz bleibt die Ausnahme. Selbst bei Honda– oder Yamaha-Maschinen, die besonders häufig auf deutschen Straßen unterwegs sind, gelingt die Identifikation selten.
Rechtliche Lücken und die Forderung nach Halterhaftung
Anders als in Österreich oder der Schweiz gibt es in Deutschland keine Halterhaftung für Geschwindigkeitsverstöße. Die Behörden müssen den Fahrer zweifelsfrei identifizieren können – was in der Praxis meist scheitert.
Der ADAC Schleswig-Holstein erklärt: „Ist zum Beispiel ein verspiegeltes Visier am Helm, trägt der Fahrer eine große Sonnenbrille oder spiegelt sich die Sonne anderweitig, ist in aller Regel keine Identifikation des Fahrers möglich.“ Bei Marken wie Kawasaki oder Triumph, die für sportliche Modelle bekannt sind, wird dieses Problem besonders deutlich.
Gewerkschaften fordern Gesetzesänderungen
Sven Neumann von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) bringt es auf den Punkt: „Die Halter müssen mehr in den Fokus genommen werden. Sie sind verantwortlich für ihre Fahrzeuge. Dort müssen gesetzgeberische Regelungen getroffen werden.“
Die Forderungen im Überblick:
- Einführung einer Halterhaftung nach österreichischem Vorbild
- Bessere technische Ausstattung der Polizei
- Mehr Personal für gezielte Kontrollen
- Verpflichtende Fahrtenbuchauflagen bei Verdacht
Personalmangel verschärft das Problem
„Viele Bereiche in der Landespolizei sind nicht ausreichend mit Personal ausgestattet“, klagt GdP-Vertreter Neumann. Tatsächlich erfordern Motorradkontrollen einen erheblichen Mehraufwand gegenüber herkömmlichen Blitzern.
Während automatisierte Anlagen wochenlang unbetreut arbeiten können, braucht es für Bajaj– oder andere Motorradkontrollen:
- Zusätzliche Kameraausrichtung
- Anhalteposten zur Identifikation
- Manuelle Auswertung der Aufnahmen
- Rechtliche Absicherung der Beweise
Konsequenzen für die Verkehrssicherheit
Die geringe Kontrolldichte bei Motorrädern hat direkte Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Experten befürchten, dass das fehlende Ahndungsrisiko zu mehr Raserei und damit zu höherer Unfallgefahr führt.
Besonders alarmierend ist dieser Umstand angesichts der Tatsache, dass Motorradfahrer ein deutlich höheres Verletzungsrisiko haben als Autofahrer. Die Kombination aus hohen Geschwindigkeiten und mangelnder Kontrolle könnte sich als tödliche Mischung erweisen – besonders bei leistungsstarken Maschinen von BMW Motorrad oder Ducati.
Source: www.ndr.de